Woody Allen zeigt sich hier so gut wie seit Jahren nicht. Nach einigen in Europa realisierten Filmen kehrt der Meister nach Amerika zurück, dahin, wo er die besten Inspirationen bekommt. Es ist nicht nur die tragikomische Geschichte, die zündet, sondern vor allem die Hauptdarstellerin. Komplexe Frauenfiguren gehören zum Stadtneurotiker wie das Amen in der Kirche, bleiben als Fixpunkte seiner Filme im Gedächtnis. Diesmal schlägt Cate Blanchett furios auf und gibt hier wohl die beste Performance ihrer Karriere und gilt schon jetzt als eine der Oscar-Favoritinnen. Als Blanche Dubois in Tennessee Williams "Endstation Sehnsucht" im Theater gefeiert, nimmt sie deren Fragilität und Neurosen mit in diese dramatische Charakterstudie einer Frau, die alles verloren hat, den wegen Investmentbetrug verurteilten Gatten, den sozialen Status, die Familie, die wohlhabenden Freunde. Auch die sündteure Luxusbleibe in Manhattan muss sie aufgeben. Quasi ohne einen Dollar in der Tasche (aber First Class Flug) und mit Antidepressiva vollgepumpt, landet sie in San Francisco und findet Unterschlupf bei ihrer im Supermarkt arbeitenden Adoptivschwester (sehr zurückgenommen und bodenständig Sally Hawkins, Mike Leighs Poppy aus "Lucky go Happy").
Der Niedergang der einstigen Society-Lady gehört wohl zu dem psychologisch brutalsten, was Allen einer seiner Heldinnen je angetan hat, ist gleichzeitig aber auch zutiefst menschlich und anrührend. Von Anfang an ist klar, dass sie verloren ist. Wie Blanchett versucht, mit Würde die Insignien einstigen Reichtums in die triste Realität hinüberzuretten, auf die Proll-Freunde ihrer Schwester herunterschaut und verdrängt, dass sie nicht mehr zu den Oberen Zehntausend gehört, das tut schon beim Anschauen weh. Rückblenden in das New Yorker Leben erinnern daran, was sich einst hinter der feudalen Lügen-Fassade abspielte, zeigen die Kontraste zwischen Gestern und Heute. Als Jasmine im vollgestopften Appartement in San Francisco ankommt, folgt fast logisch der Schnitt auf die riesige leere Wohnung in der Fifth Avenue.
Im Gegensatz zu seinen letzten Filmen "To Rome with Love" oder "Midnight in Paris" verzichtet Allen auf die Präsentation von markanten Sehenswürdigkeiten, konzentriert sich auf Seelenlandschaften und Abgründe, Sehnsüchte und Abstürze, geht verzwickte Umwege und überrascht mit nicht vorhersehbaren Situationen, verknüpft ein schweres Thema mit graziler Leichtigkeit. Die Besetzung ist vom Feinsten. Neben Blanchett und Hawkins brillieren Alec Baldwin als filmisches Pendant zu Bernie Madoff, Andrew Dice Clay mimt den Arbeiter, wie ihn sich Gewerkschaften wünschen. mk.
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