Mit neun trinkt sie den ersten Schnaps. Mit 17 will sie sich aus dem Drogensumpf heraus kämpfen. Es soll ihre große Erfolgsgeschichte werden. Düster hatte Annas Leben begonnen: mit einem unberechenbaren Vater, der sie immer wieder demütigt und brutal schlägt, und mit einer schwachen Mutter, die ihrem Mann während seiner Prügelattacken nur die Bitte zuruft: "Mach die Fenster zu und schlag sie nicht auf den Kopf!" Die Mutter tröstet sich mit Alkohol und Anna macht es ihr einfach nach. Nur im Rausch kann das Kind der brutalen Realität entfliehen. Mit Alkohol, Medikamenten und Drogen sucht es seine Seele zu schützen.
Als Anna 20 ist, hat sie zwei Jahre Therapie hinter sich und ein neues Leben vor sich. Sie besitzt sogar einen Schulabschluss und ist so stolz auf ihren Erfolg, dass sie ihre Geschichte in die Kamera der Regisseurin Dorothee Kaden erzählt. Doch als der Film kurz vor der Vollendung steht, ist Anna verschwunden. Unbemerkt vom Filmteam, unbemerkt auch von ihren Freunden ist sie längst wieder zu den alten Verhaltensmustern zurückgekehrt. Sie versinkt erneut in die Drogenwelt.
Vier Jahre später, 2012, nimmt Anna wieder Kontakt zu der Autorin auf. Will den alten Film sehen. Und schaut wie eine Fremde auf ihr eigenes Leben: Ihre Nöte und ihre Verzweiflung hatte jahrelang niemand bemerkt oder bemerken wollen. Weder Lehrer noch Ärzte, die ihr ohne weiter nachzufragen Schmerzmittel und Antidepressiva verschrieben. Die Fassade war nahezu perfekt: Der Vater promovierter Akademiker, die Mutter immer adrett gekleidet, und auch Anna wirkte nach außen stets nett und freundlich.